Tratsch: Verbale Abrüstung in der Griechenland-Diskussion

Soolbrunzer, 21. Juli 2015, um 21:37
zuletzt bearbeitet am 21. Juli 2015, um 21:46

@faxe

Über den Zusammenhang zwischen Hitze und Empörung stimmen wir überein 😉. Wir stimmen, glaube ich, ebenfalls überein, dass Griechenland unter Neo Demokratia und Pasok durchaus missgewirtschaftet hat, nach meiner Lesart allerdings insbesondere auf der Einnahmenseite (einerseits Geld auf Pump andererseits Steuergeschenke an die alten bekannten), das Ganze flankiert von immenser Korruption.*)

Von Syriza zu verlangen, diese Missstände in sechs Monaten abzustellen, ist indessen extrem daneben. Zu behaupten, Syriza hätte nichts getan oder nichts tun wollen, ist eine Lüge. U.a. im "ND Dossier Griechischer Frühling ΣΥΡΙΖΑ" im März 2015 (S. 33ff) wurde die der EU-Gruppe bereits am 23. Februar vorgelegte Liste der von der griechischen Regierung beabsichtigten Maßnahmen veröffentlicht. Die Liste ist umfassend - soweit ich das beurteilen kann. Aber auch FAZ, Zeit, Handelsblatt berichteten damals, wenn ich mich erinnere, durchaus optimistisch über dieses Paket. Es scheiterte am beständigen "Nein" in Verbindung mit kleinkarierten Detailforderungen der Eurogruppe, insbesondere aus dem Hause Schäuble, verbunden mit dem Verbot (!), Reformen einseitig umzusetzen.

Bei allem "pacta sunt servanda"-Gedudel - ich finde es nach wie vor unverfroren, seitens der EU bis ins kleinste Detail Austeritätsmaßnahmen zu diktieren (die nicht nur in meinen Augen Unsinn sind - selbst Amerika lacht sich über uns kaputt). Bedingungen für Kredite - ok. Wenn mir eine Bank Geld leihen will, fragt sie nach Sicherheiten und meinem Einkommensverhältnissen, ok; aber ich hätte noch nie gehört, dass eine Bank Bedingungen gestellt hätte, wie etwa: Damit Ihr Privathaushalt nicht in Gefahr gerät, dürfen Sie nicht in Urlaub fahren, nicht ins Kino, ins Theater und zum Essen gehen; Ihre Kinder dürfen nur kik-Kleider tragen und das Familenessen darf nur bei Aldi eingekauft werden.

Würdest Du das akzeptieren? Nein, Du fändest es unverschämt und würdest Dir eine andere Bank suchen. Griechenland hat diese Option nicht - jeder weiß, dass ein Grexit das Land endgültig ruinieren würde.

Insoweit wurde das Machtgefälle gnadenlos ausgenutzt, tatsächlich mit dem Nebeneffekt, die humanitären Missstände zu intensivieren, und auch mit dem Nebeneffekt, Angst und Schrecken in Griechenland zu verbreiten. Syriza musste auf's Ganze gehen - schlimm genug, dass sie den Machtkampf verloren haben. Aber schuldig sind die Erpresser, nicht die Erpressten.

@deutsches normhemd:
Na, dann mach' Deinen Urlaub halt in Deutschland; ich werde dieses Jahr mein Geld im italienischen Ausland verschleudern.

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*) [Edit] Nicht zu vergessen, dass Neo Demokratia und Pasok durch Kapitulation vor der Troika bei der Demontage des Landes und des Staatshaushaltes seit 2011 ganze Arbeit geleistet haben...

Soolbrunzer, 21. Juli 2015, um 21:44

Im Übrigen: Frag' doch mal Warren Buffet, ob das alles "Kapitalismus-Klischees" sind... DER war wenigstens mal ehrlich...

Soolbrunzer, 21. Juli 2015, um 21:52

Ach, noch was zu "pacta sunt servanda":

Das Rettungspaket von 2010/11 war bereits ein Knebelvertrag nach meiner Lesart, detaillierte, unverfrorene, in die Souveränität eines Mitgliedsstaates eingreifende Maßnahmen; Angie und Co. haben Papandreou nachgerade aus dem Amt gemobbt, weil er sich erdreisten wollte, die Bedingungen der "Rettung" dem einzigen Souverän im Staate, dem Volk vorzulegen.

Und zu Knebelverträgen ist selbst das BGB eindeutig:

"Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig." (§138, Abs. 1, BGB).

Soolbrunzer, 21. Juli 2015, um 22:03

Und, lieber faxe, (einen hab' ich noch^^), zu Deiner Ablehnung "ideologischer Debatten"...

NATÜRLICH ist das ein Konflikt der Ideologien, zumindest ein Aspekt dieses Konflikts... ich sehe nichts, was dagegen spräche, und das war auch ein Ausgangspunkt für mich, diesen Fred zu erstellen:

Ich polemisiere (jawoll, genau das und mit Fleiß!) weiter für meine Vision und gegen die Visionen, welche die Schäubles oder Deine "leidenschaftlichen Europäer" vertreten.

Da wird verbal nicht abgerüstet. Wo ich meine Stimme erheben kann, erhebe ich sie. Und sei es unter anderem im Schafkopf-Forum.

Wenn Du Dich da auf eine Debatte einlässt, wirst Du - ob ermüdend oder nicht - auch den ideologischen Teil nicht ignorieren können.

In diesem Sinne habe ich fertig für heute. Gute Nacht allerseits und

αλληλεγγύη με Ελλάδα

Ex-Sauspieler #390111, 21. Juli 2015, um 22:51

@ kami

das war das beste, was je hier einer gepostet hat.
Ob dir das hier freunde bringt, wage ich dahin zu stellen.
gn8

krattler, 21. Juli 2015, um 22:55
zuletzt bearbeitet am 21. Juli 2015, um 23:46

ich halt`s im gegensatz zu dir, für so ziemlich den grössten schwachsinn, den ich hier - deine beiträge mal ausgenommen vätti, was ja nichts neues ist, weil du ja ständig und stetig bemüht bist, dich in jedem fred als vollhorst zu outen - je gelesen habe.
so unterschiedlich kanns sein.

faxefaxe, 22. Juli 2015, um 06:37

Interessant finde ich ja, dass ausgerechnet die USA, die für viele ja für wirklich jedes Elend in dieser Welt verantwortlich sind, jetzt als Kronzeuge herbeigerufen werden (über deren Wirtschafts- und Fiskalpolitik man sicher auch streiten kann). Da waren schon ein paar eher unqualifizierte Debattenbeiträge von Krugman und Co dabei, die ua nicht berücksichtigt haben, dass wir hier eine ganze Reihe von Einzelstaaten unter einen Hut bringen müssen.

faxefaxe, 22. Juli 2015, um 09:27
zuletzt bearbeitet am 22. Juli 2015, um 09:28

Nur zum Betreuungsgeld: die Länder dürfen es zahlen. Ob der Bund Ihnen das Geld überweist, muss der entscheiden, es ist aber nicht verboten, der Bund übernimmt öfter mal Kosten, die auf die Länder fallen - oder steuert was bei. Das ist also eine politische Entscheidung, die Koalition war ja mal einmütig dafür ^^.
Ich persönlich gehöre unter meinesgleichen zu einer radikalen Minderheit, die das Betreuungsgeld nicht schlecht findet. Damit bin ich aber sehr, sehr einsam.

faxefaxe, 22. Juli 2015, um 10:14

Wir bekommen keins ^^

Ex-Sauspieler #390111, 22. Juli 2015, um 12:28

@ knödeljunge

das liegt doch nur da dran, dass du dich für das Oberhaupt der Sauspielelite hältst.

Geisterfahrersyndrom sagt man dazu auch, glaub ich.

Ex-Sauspieler #390111, 22. Juli 2015, um 12:31

@faxefaxe

Vllt. sollte man im Europaparlament mal bei den Amis nachfragen, wie man die paar Einzelstaaten denn unter einen Hut bringen könnte.

faxefaxe, 22. Juli 2015, um 12:32

Ich hatte erst gelesen: "Mal bei den Admins nachfragen", aber dann fiel mir auf, dass das gar nicht vom Willy kam ^^

Ex-Sauspieler #390111, 22. Juli 2015, um 13:01
zuletzt bearbeitet am 22. Juli 2015, um 13:01

Der war gut, Faxe!

Jetzt aber mal im ernst:

Wie soll eine Union von Staaten funktionieren, wenn
keine gleichen Grundvoraussetzungen herrschen?
Nur dadurch, dass man eine gemeinsame Währung hat?
Glaub ich nicht.
Was taugt ein Europaparlament, dass sich mit Themen wie "Standardisierung der Beschaffenheit von Klopapier" beschäftigt?
Richtig, zum arschabwischen!

Und deshalb könnten wir von den Amis (auch wenn sie für manchen für alles Unheil dieser Welt verantwortlich sind) wirklich was lernen.

Gewählte Zentralregierung, die die grobe Richtung vorgibt, also gleiche Grundbedingungen, egal ob man in Alaska oder Florida lebt, aber den einzelnen Staaten ihre Souveränität nicht nimmt.

faxefaxe, 22. Juli 2015, um 13:26

ja, aber mehr Integration ist zurzeit wohl kaum durchsetzbar. Solange wir sie aber nicht haben (und oft sogar Einstimmigkeitsbedingung) sind so Forderungen wie "die EU muss", "die EU soll" bissl wohlfeil.

Ex-Sauspieler #390111, 22. Juli 2015, um 13:53

Naja Faxe,

wenn mehr Integration nicht durchsetzbar ist,
dann wurde das Projekt EU entweder zu früh oder falsch angegangen.

faxefaxe, 22. Juli 2015, um 13:57

Die Logik, Kami, verstehe ich nicht. Die griechische Regierung kann ja für sich entscheiden.

Und wenn es um die Bedingungen geht: Da hat ja Griechenlandd die Wahl. Entweder lassen sie sich drauf ein - oder nicht :)

faxefaxe, 22. Juli 2015, um 13:58

Das Projekt EU war sicher nicht zu früh, Bill.
Hat sich sicherlich sowohl in friedensschaffender, als auch in ökonomischer Sicht rentiert.
Die Frage ist, ob der Euro zu früh kam. Ohne gemeinsam Wirtschafts- und Fiskalpolitik ist das immer eine windschiefe Konstruktion. Kann man inkaufnehmen, wenn man das aus politischen Gründen will, aber hakt natürlich.

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